Ein Spezialtraining für Kinder mit LRS

Was ist Legasthenie laut Definition der Pädagogik und wie kann sie festgestellt werden?

Viele kennen den Begriff „Legasthenie“, wissen aber nicht, was er genau beschreibt.

Kein Wunder, denn dieses Phänomen hat so viele Gesichter wie es Betroffene gibt. Es gehört zwar zu den am weitesten verbreiteten Lernproblematiken, bleibt aber wegen der stark individuellen Ausprägung oft lange unentdeckt. Wer einen Blick auf die Vielfalt der Aufgaben für PädagogInnen im Schulalltag wirft, wird verstehen, warum für das verlässliche Feststellen einer Legasthenie und für gezielte individuelle Fördermaßnahmen eigene Fachkräfte ausgebildet werden.

Wenn ein offensichtlich intelligentes Kind Schwierigkeiten beim Lesen- und Schreiben hat, seine Aufmerksamkeit vorwiegend bei diesen Tätigkeiten zeitweise nicht halten kann und in seinen Tages-Leistungen extrem schwankt, sollte man sensibilisiert sein. Besonders dann, wenn ein Fall von Legasthenie bereits in der Familie bekannt ist. Denn diese spezielle Form der Lese-/Rechtschreibschwäche wird vererbt.

Verbesserungen der Leistung können im Gegensatz zur erworbenen LRS nicht allein durch intensives Üben erzielt werden. Denn bei einer Legasthenie trifft man auf eine besondere Art von Fehlern: die sog. Wahrnehmungsfehler. Sie sind die Folge einer besonderen Verarbeitungsform von geschriebener und/oder gesprochener Sprache im Gehirn:

Eigentlich aktivieren sich bei der Verarbeitung gleich bleibender Reizmuster (Buchstaben-/ Lautgestalt, deren Postion im Wort, der Klang einer Stimme…) entsprechende Hirnregionen in der linken Gehirnhälfte. Sie sind spezialisiert auf linear-analytisch ablaufende Denkprozesse. Der mit der Zeit durch ständige Wiederholung auftretende Gewöhnungseffekt erhöht die Verarbeitungsgeschwindigkeit.

Bei Legasthenikern allerdings wurde durch bildgebende medizinische Verfahren eine teils ersatzweise Aktivierung der rechten Gehirnhälfte während des Lesens und Schreibens gemessen. Eigentlich ist sie an bildhaften fantasievollen, unsystematischen und experimentellen Denkprozessen beteiligt.

Da z.B. die Rechtschreibung keine experimentelle Ausrichtung von Buchstaben zulässt und weil die meisten Wörter abstrakt (nicht-bildhaf, nicht „illustrierbar“) sind, ist ein legasthenes Kind viel schneller überforderrt. Seine Aufmerksamkeit sinkt.

Gerade aber der Schreib- und Lesevorgang erfordert als hochkomplexes Zusammenspiel mehrerer Wege der Reizverarbeitung (optisch, akustisch, räumlich, motorisch) viel Aufmerksamkeit. Beim Schuleintritt sollten alle Arten der Verarbeitungswege funktionieren, wobei die Sinnesorgane (Augen und Ohren) nur eine erste Teilaufgabe (Reizaufnahme) erfüllen.

Danach müssen die Reize auf ihrem Weg durchs Gehirn in ihrer Gestalt und in ihrem Klang voneinander unterschieden, gespeichert und in eine vorgegebene Reihenfolge gebracht werden. Nur so können Buchstaben Lauten zugeordnet werden und umgekehrt. Dazu kommt das Berücksichtigen von Wortabständen, Zeilen und die Schreibrichtung.

Je dauerhafter, intensiver und komplexer die Beschäftigung mit Buchstaben wird, desto eindeutiger macht sich eine Legasthenie bemerkbar. Im Vorschulalter kann man Vorzeichen im Rahmen eines Sinneswahrnehmungstrainings feststellen.

Bei Schulkindern bringt eine Messung der Aufmerksamkeit als Indikator für die Belastbarkeit, das Überprüfen der optischen/ akustischen/räumlichen Funktionen und die Analyse der Fehlersymptomatik in einem längeren Beobachtungszeitraum durch den sog. AFS-Test Gewissheit.

Dieses pädagogische Testverfahren entscheidet über das Vorliegen einer erworbenen oder einer vererbten LRS und gibt einen detaillierten Aufschluss darüber, welche Verarbeitungswege betroffen sind. In Anlehnung an das Ergebnis erstellen diplomierte Legasthenietrainer:Innen einen auf das Kind persönlich abgestimmten Trainingsplan, der mithilfe einer großen Methodenauswahl sowohl in Trainerstunden als auch zu Hause mit den Eltern umgesetzt wird.

Beim Piratenkonzept etwa versuche ich als Trainerin Vor- und Volksschulkindern spielerisch Kompetenzen zu vermitteln, die den Umgang mit „ihrer Legasthenie“ erleichtern sollen. Als Illustratorin nehme ich die Herausforderung an, jüngeren Kindern auch sehr abstrakte Vorgänge bildlich und somit besser begreifbar aufzubereiten. Ein Auszug befindet sich auf den folgenden Seiten: